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arum nur bekümmerte Trix, den einzigen und rechtmäßigen Erben des Co-Herzogs Rett Solier, sein Äußeres so sehr?

Er stand vor einem alten, trüben Spiegel, der schon seit drei Generationen im Schlafgemach der männlichen Erben hing, und betrachtete skeptisch sein Spiegelbild. Daran war der Spiegel gewöhnt. Er kannte die entsetzten Gesichter beim Anblick eines sprießenden Pickels oder jener Kratzer, die eine ungeschickte und noch vor dem ersten Bartwuchs gewagte Rasur hinterlassen hatte, schließlich achteten alle jungen Co-Herzöge im Hause Solier auf ihr Äußeres. Zumindest auf die wichtigen Details: ob die Hosen zugeknöpft waren, ob sich die Taschen nicht zu sehr beulten, weil sie mal wieder eine Menge interessanter Dinge enthielten (die natürlich kein Erwachsener billigte), ob die Haare nicht nach allen Seiten abstanden und ob der frische blaue Fleck gut gepudert war (Puder war für die Angehörigen beiderlei Geschlechts unersetzlich).

Trotzdem schlug Trix irgendwie aus der Art. Die traditionellen Beschäftigungen für Kinder wie Jagd und Fechten hatte er nie gemocht, stattdessen las er und verbrachte viel Zeit mit den Hofzauberern und Chronisten. Was ihn am Jagen und Fechten jedoch am meisten störte, war, dass es Beschäftigungen für Kinder waren. Zu seinem Leidwesen hatte auch noch seine Mutter, die Herzogin Solier, gewisse Probleme mit seinem Alter (und auch mit ihrem eigenen, denn sie war nun schon fünfzehn Jahre lang fünfundzwanzig). So hatte sie ihm zum letzten Geburtstag ein prächtiges Pferd geschenkt, einen Apfelschimmel. An dem hätte Trix nicht das Geringste auszusetzen gehabt – wäre er nicht aus Holz und mit Rädern gewesen. Morgen, zu seinem vierzehnten Geburtstag, sollte er »sehr hübsche Büchlein« bekommen. Zwar teilte Trix unbedingt die Ansicht, Bücher seien die schönsten Geschenke, seine Freude zügelte er aber trotzdem. Er vermutete nämlich, es würde sich um Bücher mit Bildern handeln – und gewiss nicht mit solchen, wie er sie aus dem Folianten Eichenzweig und Lotusblume kannte, den er sich heimlich aus der herzoglichen Bibliothek besorgt hatte.

Doch zurück zu Trix’ Spiegelbild. Fangen wir oben an. Oben waren die Haare. Schwarze Haare. Trix hätte blonde bevorzugt, zur Not auch rote, denn das wäre immerhin ungewöhnlich gewesen.

Alles in allem fand er sein Haar aber akzeptabel. Dann folgte das Gesicht, das Trix besonders aufmerksam musterte. An den Einzelheiten war eigentlich nichts auszusetzen. Stirn und Nase hatte er vom Vater, die Ohren von der Mutter, normale Ohren übrigens, keine Segel-, Spitz- oder Riesenohren. Auch über den Mund beschwerte sich Trix nicht, schließlich erfüllte er seine Funktion tadellos. Das Kinn war nicht besser und nicht schlechter als jedes andere Kinn auch – sah er mal vom fehlenden Bartwuchs ab.
Was Trix aber überhaupt nicht gefiel, war die Art und Weise, wie sich diese Teile zusammensetzten. Was dabei herauskam, ließ sich nämlich nur mit dem hässlichen Wort »Jüngling«, ja sogar mit dem noch schrecklicheren Wort »Junge« bezeichnen, auf keinen Fall aber mit »junger Mann«.
Zu allem Überfluss wirkte das Ergebnis auch noch absolut harmlos. Ob daran die vollen Lippen schuld waren? Trix presste sie aufeinander – und der Jüngling im Spiegel verwandelte sich in einen widerwärtigen Kerl. Diesen Trix brauchte man bloß anzusehen und schon wollte man das Herzogtum stürzen; den Mut und die Tapferkeit eines alten Geschlechts verkörperte er jedenfalls nicht.
»Ei pottstausend!«, fuhr Trix den Spiegel an. »Du blödes Ding!«
Der Spiegel tat so, als habe er mit der Sache nichts zu tun.
Trix wandte sich um und stapfte zur Tür. Ihm stand ein weiterer öder Tag bevor, vollgestopft mit den Pflichten eines Thronfolgers. Noch dazu ein Empfangstag. Da hieß es, zunächst den väterlichen Unterhandlungen mit Kaufleuten, Pächtern und Gildemeistern beizuwohnen. Sie alle wollten weniger zahlen und mehr verdienen. Da genau das auch der Co-Herzog Rett Solier wollte, zogen sich diese langweiligen Gespräche immer ewig hin.
Anschließend musste Trix selbst empfangen. Natürlich durfte er noch keine Fragen von Bedeutung klären, sondern hatte Kinderprobleme zu lösen. Zum Beispiel, wenn die Lehrlinge der Schmiedegilde eine Schlägerei mit den Lehrlingen der Bäckergilde angefangen hatten. Wer übrigens glaubt, dabei hätten die unschuldigen Nudelholzschwinger von den muskulösen Hammerschmieden eins auf die Nase gekriegt, befindet sich auf dem Holzweg. Die Gehilfen der Schmiede stehen ja die meiste Zeit am Amboss, pressen glühendes Metall mit einer Zange zusammen oder treten den Blasebalg. Diese Beschäftigungen kommen einzelnen Muskeln zugute, nicht aber dem Körper insgesamt. Ganz anders dagegen die Bäckerjungen, die schwere Mehlsäcke oder Bleche mit Backwaren schleppen müssen. Obendrein kriegen Schmiedelehrlinge nie genug zu essen, während Bäckerjungen gar nicht wissen, was Hunger ist.
Oder wenn sich Kinder kleiner Diebstähle und Gesetzesverstöße schuldig gemacht hatten, die es nicht wert waren, von der städtischen Wache untersucht zu werden. Waisen und Söhne, die zu Unrecht von ihren Eltern ausgepeitscht wurden, baten Trix um Hilfe. Kurz und gut, es galt als heilige Pflicht eines jeden jungen Erben, am Beispiel seiner Altersgenossen die Bedürfnisse seines Volkes kennenzulernen.
So ging Trix denn schnurstracks in den Thronsaal. Die Tür stand halb offen, die andere, zum Palastvorhof führende Tür war noch verschlossen. Sein Vater saß bereits auf dem Halben Thron, einer Metallkonstruktion, die zwar durchaus bequem war, aber aussah, als handle es sich nur um die Hälfte eines riesigen Throns. Hier und da lugten die Spitzen oder Griffe von Schwertern hervor.
»Trix«, begrüßte sein Vater ihn mit einem verschämt warmherzigen Blick.
»Eure Hoheit.« Trix verbeugte sich und ging zu der kleinen Bank links des Halben Throns, die ebenfalls aus Metall und ebenfalls aus feindlichen Klingen geschmiedet worden war. Er nahm Platz. Wie schon so oft ging ihm der Gedanke durch den Kopf, dass er seinen Feinden weit mehr Sympathie entgegenbrächte, wenn sie mit Kissen und Strohkeulen kämpfen würden.
Nun öffneten zwei Palastwachen die Tür zum Palastvorhof, damit die Untertanen zur Audienz in den Thronsaal strömen konnten.
Der Tag begann.
Entgegen allen Erwartungen waren die Ersten in der Reihe keine Untertanen Soliers, sondern Ritter vom CoHerzog Sator Gris. Sie trugen Uniform, gemäß der Hofetikette aber keine Panzer und Waffen.
Trix äugte zu seinem Vater hoch. Der betrachtete die Ritter mit unverhohlener Neugier.
»Eure Hoheit!« Der älteste Ritter ließ sich auf die Knie nieder, die anderen folgten seinem Beispiel.
»Steht auf, edler Herr«, sagte der Co-Herzog Rett Solier.
»Wir sind gekommen, um unsere Entschuldigung für die Ereignisse des gestrigen Abends vorzubringen.« Der Ritter machte keine Anstalten, sich zu erheben. »Wir vertrauen auf die Güte Eurer Hoheit …«
Trix fing an, sich zu langweilen. Er hatte schon gehört, dass es gestern in einer Bierstube eine Schlägerei zwischen den Rittern des Co-Herzogs Solier und denen des Co-Herzogs Gris gegeben hatte. Zum Glück war kein Blut geflossen. Dann sind unsere Ritter wohl gerade bei Co-Herzog Gris, dachte Trix. Routine. Wenn sich zwei Herrscher wie die Co-Herzöge Solier und Gris die Macht teilten, waren solche Vorkommnisse keine Seltenheit.
»Ich nehme Eure Entschuldigung an«, sagte der CoHerzog Solier. »Steht auf, edle Herren. Ich will hoffen, der Co-Herzog Gris lässt gegenüber meinen Rittern ähnliche Milde walten.«
Der Ritter erhob sich. Er fuhr mit der Hand über den Metallgürtel, der sein Wams hielt, worauf dieser klackte, sich versteifte und in eine schmale, aber äußerst scharf aussehende Klinge verwandelte. »Davon würde ich nicht ausgehen«, entgegnete er.

Das Türschloss war schon vor hundert Jahren eingerostet, der Schlüssel nicht viel später verloren gegangen. Soweit Trix wusste, waren die Gefängniszellen immer leer gewesen. Niemand hielt Wache, die Tür zum Gefängnistrakt stand stets sperrangelweit offen, die Gittertüren der Zellen waren zwar zu, aber nicht abgeschlossen. In seiner Kindheit war er ein paarmal hier unten gewesen, aber nie lange, dazu war der Keller einfach zu öde. Er war nicht einmal gruselig. Es gab wirklich nur verrostete Eisenstufen, rostzerfressene Fackelhalter, durchgerostete Türen und angerostete Gitter. Bestimmt wären in der feuchten Luft auch noch die Wände verrostet – wenn Stein hätte rosten können.

Vor drei Generationen waren die Soliers zu dem klugen Schluss gelangt, dass es weit vorteilhafter war, Verbrecher den städtischen Machthabern zu übergeben, statt sie in den eigenen Verliesen einzusperren. Es sparte nicht nur Geld, da die Notwendigkeit wegfiel, Gefängniswächter und einen Henker zu bezahlen, sondern ließ sie auch gut dastehen, da die Soliers dann ja nicht für die Entscheidungen des Gerichts verantwortlich waren. Als Zugabe traf es auch noch die Verbrecher härter, denn ein Gericht mit neun anonymen Schöffen fällt strengere Urteile als ein einzelner Co-Herzog, warum auch immer.

Man hatte auch gar nicht erst versucht, die Tür hinter Trix abzuschließen, sondern einfach eine Zelle mit halbwegs stabiler Gittertür ausgesucht. Dann hatte ein wortkarger Schmied in einem tragbaren Schmelzofen einen Eisenstab zum Glühen gebracht und die Tür damit zugelötet.

Das sicherste Schloss auf der Welt ist nun mal eines ohne Schlüssel.
Trix saß in einer Ecke der Zelle auf seiner Jacke. Die Kleidung hatten sie ihm gelassen, nur die Knöpfe abgeschnitten und den Gürtel aus den Hosen sowie die Schnürsenkel aus den Stiefeln gezogen. Damit er sich nicht umbrachte? Eine Zeit lang stellte sich Trix schadenfroh vor, wie er die Ärmel der Jacke abriss, einen Strick daraus knüpfte und sich an der Gittertür erhängte. Hatte sich nicht einer seiner Vorfahren, Kelen Solier, bloß mit dem Taschentuch aufgehängt, mit dem seine zahlreichen Wunden verbunden gewesen waren?
Doch schon in früher Kindheit hatte Trix die Sache mit dem einen Taschentuch, mit dem zahlreiche Wunden verbunden gewesen sein sollten, kaum glauben können. Außerdem wären seine Feinde vermutlich gar nicht traurig, wenn sie den jungen Co-Herzog mit heruntergerutschten Hosen und heraushängender Zunge am Gitter baumeln sähen. Im Gegenteil, er würde ihnen damit nur auf den Thron verhelfen. Nein, besser, er ließ sich zum Tode verurteilen, mit allem, was dazugehörte: ein korruptes Gericht und die Anwesenheit seines treulosen Volkes. Da würde er seinen großen Auftritt haben. Genau wie sein Vorfahr Diego Solier, dessen Rede auf dem Schafott sogar den Henker zu Tränen gerührt hatte. Oder wie Renada Solier, die Räubern in die Hände gefallen war, sie aber mit einer flammenden Rede überzeugen konnte, ihr verbrecherisches Handwerk aufzugeben und der Palastwache beizutreten.
Trix schnaubte. Sicher, er war erst vierzehn und schwärmte für alte Chroniken – aber so naiv war er nun auch wieder nicht! Diego Solier war geköpft worden, selbst wenn der Henker geheult hatte, als er das Beil schwang. Und Renada Solier musste den Chef der Räuberbande drei Tage und drei Nächte überreden, wobei Trix den unklaren Eindruck hatte, die Nächte seien dabei wesentlich wichtiger gewesen als die Tage.
Es ist leicht, von Heldentum zu träumen, während man die zarten, vergilbten Seiten der alten Chroniken umblättert. Weitaus schwieriger ist es, wenn die Werkzeuge des Folterknechts deine eigenen zarten Finger zerquetschen.
Natürlich war Folter im Herzogtum streng verboten, mit Ausnahme jener Fälle, die klar und eindeutig geregelt waren. Foltern, um den Thronverzicht herbeizuführen, das tauchte allerdings nirgends auf. Überhaupt war die Folter eines Kindes – und nach den Gesetzen des Herzogtums galt Trix immer noch als minderjährig – nur in Anwesenheit eines Arztes, eines Priesters oder einer »guten Frau aus dem Volk« erlaubt, welche die Prozedur jederzeit unterbrechen konnten.
Leider gab es etliche Formen der Folter, die keine Spuren hinterließen. Nachdem Trix einmal mit stockendem Atem knapp die Hälfte des Handbuchs für den ehrlichen Inquisitor gelesen hatte, machte er sich da keine falschen Hoffnungen. Die würden mit ihm machen, was sie wollten. Schließlich war es auch strikt verboten, einen Co-Herzog zu stürzen.
Trix stand auf, tigerte durch die Zelle und versuchte, die Beine zu lockern. Dabei musste er die Hosen festhalten, die ständig herunterrutschten. Drei mal drei Schritt, was für ein Albtraum! Konnten Menschen wirklich jahrelang in solchen Verliesen sitzen? Bestimmt nicht! Doch eine gemeine Stimme in seinem Innern flüsterte: »Du wirst es schon noch rauskriegen!«
Trix schüttelte den Kopf. Undenkbar! Entweder würden sie mit ihm darüber verhandeln, dass er auf den Thron verzichtete – oder ihn ermorden. Wenn sie ihn hier unten vermodern ließen, würden sie sich ihr eigenes Grab schaufeln. Das bewiesen alle Schauspiele und Balladen. In denen fand sich stets ein treuer Diener, der seinen Herrn befreite. Oder der Held grub heimlich einen Gang aus dem Verlies. Und dann scharte er eine Armee um sich und ließ seinen Zorn an den Halunken aus.
Genau! Auch er würde seinen Zorn an ihnen auslassen!
Trix griff nach dem Gitter, spannte die Muskeln an und versuchte, die Stäbe auseinanderzubiegen. Klein und mager, wie er war, würde er einfach durch die Stäbe hindurchschlüpfen …
Richtig, er war klein. Und schwach. Die Stäbe gaben nicht nach, mochte der Zahn der Zeit auch noch so an ihnen genagt haben. Trix beschmierte sich bloß mit feuchtem Rost und hätte sich beinahe den Kopf zwischen den Stäben eingequetscht – wahrscheinlich sehr zur Freude der Gefängniswärter!
Er trat ein paarmal gegen das Gitter, doch dieses bemerkte die Tritte nicht einmal.
Trix hockte sich wieder auf den Boden. Er hatte keine Angst. Nicht, weil er von Natur aus mutig war, sondern einfach, weil alles zu überraschend gewesen war … und zu banal. Niemand war handgreiflich geworden. Dabei hatte er sogar versucht, mit dem Schwert auf einen Ritter einzustechen.
Doch der hatte ihm schon beim ersten Ausfall das Schwert aus der Hand geschlagen. Seinen Dolch konnte Trix dann gar nicht erst ziehen. Der kräftige Ritter bog ihm – behutsam! – die Arme auf den Rücken und brummte, er, Trix, solle besser keinen Widerstand leisten, sonst müsse er, der Ritter, ihm wehtun. Dann waren noch zwei Schurken hinzugeeilt. Zu dritt hatten sie Trix aus dem Thronsaal gebracht, sein Vater, der sich ganz allein gegen den Rest der Angreifer zur Wehr setzte, wurde da gerade in eine Ecke abgedrängt.
Sie hatten Trix schnell und sorgfältig durchsucht, ihm den Gürtel und die Schnürsenkel abgenommen, die Knöpfe abgeschnitten und das Futter der Jacke abgetastet. Anschließend wurde er ins Verlies gebracht. Nicht ein grobes Wort hatten sie zu ihm gesagt! Im Keller hatte bereits der Schmied gewartet. Der Hofschmied des CoHerzogs Solier! Ein mürrischer Mann, den aber niemand unter Druck setzte. Mit seinem Hammer – daran hegte Trix nicht den geringsten Zweifel – hätte er die drei Ritter mühelos erledigen können, die neben ihm längst nicht mehr so kräftig wirkten.
Doch der Schmied brachte nur den Stab zum Glühen und verlötete damit die Tür. Dann war er weggegangen – ohne sein Werkzeug mitzunehmen, ohne sich noch einmal nach dem jungen Co-Herzog umzudrehen, ohne auf dessen wilde Schreie zu achten. Und auch die Ritter waren gegangen, nachdem sie die fast niedergebrannte Fackel in einen Halter gegenüber der Zelle gesteckt hatten.
Trix rieb sich verlegen die Stirn. Er hätte besser nicht geschrien. Schon gar nicht diese Worte. Dabei nahmen sie sich in den Chroniken so gut aus: »Dreihundert Jahre dienten deine Vorfahren den meinen treu und ergeben« und »Verrat lässt dein Herz verdorren« und »Es ist die Wahrheit, die immer siegt«.
In seinem feuchten Verlies klangen diese Worte jedoch reichlich komisch. Oben, inmitten von farbenprächtigen Gobelins und bunten Mosaikfenstern, hätten sie sich besser angehört. Glaubte er jedenfalls.
Die Fackel begann zu rußen. Trix legte den Kopf auf die Knie und machte sich ganz klein. Früher oder später würden sie kommen. Jetzt ließen sie ihn mit Absicht schmoren. Um ihn zu brechen. Das gehörte nun mal dazu.
Irgendwo wurde eine Tür aufgerissen, dann noch eine. Trix hob den Kopf und spähte voller Hoffnung in den Gang, durch den das helle Licht einer Lampe fiel. Ob das die Palastwache des Co-Herzogs Solier war? Ob sie die Rebellen überrascht und erschlagen hatte?
Ein kräftiger Mann im Kettenhemd kam zur Zelle. Sid Kang. Der Hauptmann der Wache des Co-Herzogs Sator Gris. Oder musste es schon heißen: der Hauptmann der Wache des Herzogs Sator Gris?
Trix schwieg.
Auch der Hauptmann schwieg. Ein guter Soldat, das hatte Trix’ Vater über ihn gesagt. Er war öfter am Hof des Co-Herzogs Solier gewesen, einmal hatte er sogar einen ganzen Tag drangegeben, um Trix den Umgang mit der Armbrust beizubringen. Der Versuch war gescheitert, aber Sid hatte nur die Schultern gezuckt und gesagt: »Ist nicht deine Waffe, üb dich mit dem Schwert!«
»Weinst du?«, fragte Sid. »Nein? Gut!«
Trix grinste verächtlich. Wenn dieser Verräter – obwohl: seinem Herrn Sator Gris diente er ja treu! –, wenn dieser mistige Soldat glaubte, der junge Co-Herzog würde losheulen wie ein Küchenjunge, der in eine Kammer gesperrt wird, weil er Marmelade geklaut hat, dann hatte er sich gewaltig geirrt.
Sid drehte sich nach dem Kasten mit den Schmiedewerkzeugen um. Als er sich darüberbeugte, rasselten die feinen Stahlringe seines Kettenhemdes leise. Mit einer riesigen Zange in der Hand richtete er sich wieder auf. Er nahm an dem Eisenstab Maß, schüttelte dann aber den Kopf. Behutsam und voller Respekt legte er die Zange zurück – um den Stab mit bloßen Händen zu packen.
Trix prustete. Was immer Sid vorhatte, ohne Werkzeug würde er das Eisen nicht losbekommen.
Sid Kang runzelte die Stirn, als müsse er sich an etwas erinnern. »Die Kraft kam zu mir wie die Windbö vor dem Sturm«, sagte er.
Seine Handflächen umspielte ein blasses, kaum sichtbares blaues Licht.
Ein Zauber!
Trix sprang hoch.
Ein schwacher Zauber, als hätte ihn ein unerfahrener Magier gewirkt oder als sei er schon zu oft benutzt worden. Sid musste sich nämlich trotzdem noch anstrengen, seine Armmuskeln traten hervor, sein Gesicht lief puterrot an, aber ganz langsam löste sich der Stab. Schließlich bekam er ihn frei und warf ihn weg. Die Steinplatten des Fußbodens waren mit einer derart dicken Dreckschicht überzogen, dass er beim Aufprall nicht klirrte, sondern nur leise klatschte. Das Licht um Sids Hände erlosch.
Sid Kang öffnete die Gittertür. Er sah Trix an. »Keine Angst, junger Co-Herzog«, sagte er.
Diese Worte bedeuteten ja wohl, dass sein Vater tot war.
Trix schluckte den Kloß in seiner Kehle hinunter. Er hatte seinen Vater nicht öfter gesehen als den Koch oder den Stallburschen. Trotzdem war es sein Vater gewesen.
»Dein Vater ist tot«, erklärte Sid. »Er ist im Kampf gefallen. Wie es sich ziemt. Du sollst auch umgebracht werden, Co-Herzog Trix Solier.«
»Nur zu«, flüsterte Trix. Widerstand zu leisten wäre töricht gewesen. Sid Kang war ein guter Soldat – und er ein schlechter Thronerbe.
Sid schüttelte den Kopf. »Das ist nicht nötig, Herr Trix. Sator ist jetzt an der Macht. Er hätte dich geschont, aber sein Sohn ist dagegen.«
»Wundert mich gar nicht bei meinem herzallerliebsten Cousin Derrick«, sagte Trix. Die nächsten Worte kamen ihm von selbst über die Lippen und diesmal kamen sie ihm nicht so lächerlich vor wie die über Verrat und Treue. »Tu, was du tun musst, Soldat!«
Der Hauptmann nahm schweigend einen leichten Umhang von der Schulter und warf ihn Trix zu. »Zieh das an, Herr Trix. Warum sollten wir sinnlos Blut vergießen? Ich bringe dich jetzt aus dem Palast.«
Trix starrte den Umhang an, der auf seinen Beinen gelandet war. »Was ist mit meiner Mutter?«, fragte er.
»Sie hat ehrenvoll gehandelt. Sie hat Gift genommen und ist aus dem Fenster gesprungen.« Sid neigte andächtig den Kopf. »Es sind schon fünf Menschen gestorben, Co-Herzog. Werde nicht der sechste.«
Trix erwiderte kein Wort. Das Verhalten seiner Mutter verwunderte ihn nicht, denn genauso wurde es in allen Balladen und Chroniken beschrieben. Wahrscheinlich war sie durch das Fenster gesprungen, das zum Stadtplatz hinausging, damit möglichst viele Untertanen ihre Tat mitbekamen.
»Heul jetzt nicht, Trix!« Sids starke Hand legte sich ihm fest auf die Schulter. »Dafür ist keine Zeit.«
Die Scheide mit dem Dolch an Sids Gürtel war zum Greifen nah. Er brauchte bloß die Hand auszustrecken …
»Und mach keine Dummheiten«, warnte ihn Sid.
Trix nahm den Umhang an sich.
»Komm jetzt!«, befahl der Hauptmann.
»Ich brauche einen Strick«, sagte Trix zaghafter als beabsichtigt.
»Wozu?«
»Meine Hosen rutschen.«
Kurzerhand schnitt Sid von dem Kasten mit den Schmiedewerkzeugen einen derben Lederriemen ab und gab ihn Trix.

Unter dem Umhang wurde Trix warm. Er zog sich die Kapuze tief ins Gesicht, genau wie Sid es befohlen hatte, und hielt den Kopf gesenkt. Sie stiegen wieder nach oben, schmale und dreckige Gänge entlang – Trix erkannte sie nicht einmal wieder –, und erreichten den Innenhof. Alles war friedlich. Viel zu friedlich. Im Stall wieherten leise die Pferde, aus den offenen Fenstern der Küche hörte er Geschirr klappern, am Turm schlug die Uhr das erste Viertel nach Mitternacht. Trix hob den Kopf. In einigen Fenstern brannte Licht. Sogar die Palastwache stand da, wo sie stehen sollte – nur waren es jetzt andere Soldaten.

»Nur drei Diener haben bis zum Letzten Widerstand geleistet?«, fragte er.

»Zwei«, antwortete Sid. »Der dritte ist auf der Flucht die Treppe runtergefallen und hat sich das Genick gebrochen. Schweig jetzt! Und verbirg dein Gesicht!«

Sie gingen zum Tor. Sid legte Trix den Arm um die Schulter und zog ihn eng an sich. »Alles ruhig?«, fragte er laut.

»Absolut, Hauptmann«, antwortete jemand mit dem Akzent der Menschen aus dem Süden. »In der Stadt auch. Und Ihr …«

Jetzt würde der Hauptmann seinen eigenen Mann töten. So war das immer.
»Meine Freundin und ich machen noch einen kleinen Spaziergang«, sagte Sid jedoch, bevor sie beide durch das Tor hinausgingen.
Trix nahm ihm das nicht übel. Schließlich war ein Fürst aus dem Geschlecht der Dillonen seinen Feinden sogar einmal in Frauenkleidern entkommen. Seiner Gattin hatte er damals Männerkleidung angezogen, seinem Sohn ein Mädchenkleid und seiner Tochter eine Livree. Warum auch nicht? Wenn die Feinde überall einen großen hageren Mann, eine dicke kleine Frau, ein Mädchen im heiratsfähigen Alter und einen Jungen von drei, vier Jahren suchten, musste man sich halt in eine große hagere Frau, einen kugelrunden Mann, ein kleines Mädchen und einen jungen Diener verwandeln. Und das Fürstentum Dillon war weitaus größer und älter als die CoHerzogtümer Solier und Gris, das erkannte Trix unumwunden an.
Mit einem Mal spürte Trix den Dolch von Sid Kang an seiner Kehle. Er bekam es mit der Angst zu tun. »Mach ja keine Dummheiten!«, ermahnte ihn der Hauptmann noch einmal. »Wir gehen jetzt runter zum Fluss.«
Über einen schmalen Pfad an der Festungsmauer stiegen sie den Hang hinunter, auf dem der Palast stand, und gelangten an den Fluss. Hier gab es nichts außer einem hölzernen Pier, an dem einmal am Tag die Fischer ihren Fang verkauften, und langen Holzstegen, um die Wäsche zu waschen.
Ein Ort, bestens geeignet, sich das Leben zu nehmen.
»Gib mir den Umhang!«, befahl Sid.
Trix nahm den Umhang ab. Sollte er vielleicht doch ins Wasser gehen? Aber das Ufer war ja viel zu flach! Bevor er untergehen würde, hätte er Sids Dolch im Rücken. Die Nacht schien auch noch mit dem Hauptmann im Bunde zu stehen: Am wolkenlosen Himmel prangte ein voller Mond!
»Hier sind drei Goldstücke«, sagte Sid und hielt dem Jungen einen kleinen Beutel hin. »Die reichen für zwei Monate.« Er schwieg kurz, um dann hinzuzufügen: »Oder für einen Monat in Saus und Braus.« Hauptmann Sid Kang war ein guter Soldat und achtete stets auf Genauigkeit.
Trix sah ihn an und wartete ab. Unter dem Blick des Jungen wurde Sid plötzlich verlegen. »Am Pier ist ein Boot«, knurrte er. »Ruder und ein Proviantsack sind auch da. Fahr mit dem Strom, dann bist du morgen Abend in Dillon.«
»Wirst du mich umbringen?«, fragte Trix. »Oder einer von deinen Leuten?« Er deutete mit dem Kopf zu einem Hain. Im Schatten der Bäume könnte sich durchaus ein Dutzend Soldaten mit Armbrüsten verstecken.
»Wie kommst du denn darauf, Co-Herzog?«, fragte Sid mürrisch.
Trix schielte zum Pier hinüber. Da lag wirklich ein Boot.
»Sator Gris wird wissen, dass mir jemand bei der Flucht geholfen hat«, sagte er. »Man hat dich gesehen, als du den Palast verlassen hast … mit jemandem, der sein Gesicht verbarg. Wenn du den Wachposten getötet hättest, hätte ich dir geglaubt. Aber du hast ihn am Leben gelassen. Also steckt ihr alle unter einer Decke. Ihr werdet mich töten und behaupten, ich hätte versucht zu fliehen.«
»Du kleiner Nichtsnutz!«, sagte Sid, ohne eigentlich böse zu sein. »Ich habe dich gerettet! Und jetzt lauf!«
»So dumm bin ich nicht!«, flüsterte Trix. Er wollte wegrennen. Nur zu gern. Aber er wusste, dass er Sid nur den Rücken zuzukehren brauchte, und schon …
»Lass uns allein, Sid«, verlangte da eine Stimme. Ein Mann trat zwischen den Bäumen hervor. »Es ist alles in Ordnung.«
Sid nickte wortlos und zog sich zurück.
Der Co-Herzog Sator Gris kam auf Trix zu.
Schlank und dunkelhäutig, wirkte er überhaupt nicht wie ein Mann von fünfzig Jahren und war das genaue Gegenteil von Trix’ Vater. Als kleiner Junge hatte Trix oft bei sich gedacht, der Co-Herzog Gris sähe viel besser aus als sein Vater. Edler. Majestätischer. Ja sogar mutiger, was für einen Nachfahren von Kaufleuten höchst erstaunlich war.
»Ich weiß, dass du mich hasst, mein Junge«, sagte Sator. »Aber ich will dein Leben wirklich schonen.«
Trix sagte kein Wort.
»Wenn du mir sagen willst, dass du mich hasst«, fuhr Sator fort, »ist das jetzt die Gelegenheit. Auch, um mir deine Rache anzukündigen. Ich nehme es dir nicht übel.«
»Ich hasse dich«, sagte Trix. »Und ich werde mich rächen. An dir und an deinem Geschlecht. Das wird wieder mein Land und mein Herzogtum sein.«
»Damit wäre das erledigt«, sagte Sator. »Und jetzt erkläre ich dir, warum ich dich entkommen lasse. Natürlich nur, wenn du es hören möchtest. Wenn nicht, dann steig ins Boot und fahr los. Es wird dich niemand daran hindern.«
Trix zuckte die Schultern. Dabei brachte er eher ein Zittern zustande, denn die Nacht war kalt und durch den nahen Fluss war es fast so feucht wie vorhin in der Zelle.
»Gib dem Jungen den Umhang zurück, Sid! Er ist ja völlig durchgefroren!«, rief Sator den Hauptmann noch einmal herbei. »Also, Trix, ich kann auf sinnloses Blutvergießen verzichten. Wenn deine Eltern sich zu einem Thronverzicht bereitgefunden hätten, wären sie noch am Leben. Aber das wollten sie nicht. Und ich respektiere ihre Entscheidung.«
Trix nahm den Umhang wortlos an sich und hüllte sich in ihn ein.
»Wenn du eine reale Gefahr darstellen würdest, junger Solier, müsstest auch du sterben«, fuhr Sator fort. »Aber du bist für mich wertvoller, wenn du am Leben bist. Weißt du auch, warum?« Er legte eine Pause ein. »Gerade weil du ein kluger und stolzer Junge bist, der sich rächen will. Du wirst durch die Nachbarländer ziehen, allen erzählen, dass du von Adel bist, und sie auffordern, sich deinem Rachezug anzuschließen. Ich hoffe sehr, dass du zu einem stattlichen Mann heranwächst … und, so die Götter wollen, eigenes Gefolge um dich scharst oder über einen kleinen Staat herrschst. Vielleicht stellst du auch eine Bande von Abenteurern zusammen. Oder unsere ehrgeizigen Nachbarn unterstützen dich. All das wäre hervorragend, mein Junge, ich würde es vorbehaltlos begrüßen.«
»Derrick!«, platzte es aus Trix heraus.
»Richtig.« Sator lächelte. »Mein lieber Sohn, dein teurer Cousin, ist ein wenig … wie soll ich sagen … undiszipliniert. Er ist klug und begabt, aber leichtsinnig. Wenn er ein Herzogtum erhält, das keine Feinde hat, verdirbt mir das den Jungen. Er braucht einen Feind. Einen guten, ehrlichen und persönlichen Feind. Du bist wie geschaffen dafür. Wenn er weiß, dass du lebst und nach Rache dürstest, wird er nicht über die Stränge schlagen.«
Trix leckte sich über die Lippen. Sein Hals war ganz trocken, sein Bauch hatte sich in einen Eisklumpen verwandelt. »Und wenn …«, setzte er an. »Und wenn ich bis zur Mitte des Flusses rudere und mich dann ins Wasser stürze?«
»Das wäre nicht schlimm«, antwortete der Co-Herzog lächelnd. »Derrick müsste das nicht erfahren. Ein eingebildeter Feind ist genauso viel wert. Aber ich würde dir raten, dein Leben nicht wegzuschmeißen. Es ist nämlich ein großes Geschenk, auf das du nicht in einer Minute der Schwäche verzichten solltest. Glaube mir, du wirst noch genügend Gründe finden, um weiterzuleben.«
Der Co-Herzog zog einen kleinen Beutel aus seiner Tasche und hielt ihn Trix hin. »Nimm das. Das ist … weil du meinen Plan durchschaut hast. Hier sind zehn Goldstücke drin und ein paar Sachen mit dem Wappen deines Geschlechts. Sie dürften dir helfen, deine Rechte geltend zu machen.«
Ohne zu zögern, nahm Trix den Beutel an sich.
»Du bist ein guter Junge«, sagte Sator. »Schade, dass du ein Solier bist. Aber nun fahr! Und mach dir keine Gedanken wegen der Beerdigung deiner Eltern! Die Feierlichkeiten werden morgen stattfinden. Sie werden in eurer Familiengruft beigesetzt.«
»Ich gelobe«, sagte Trix, »dass ich auch deinen Körper in eurer Familiengruft beisetzen lassen werde. Danach wird die Tür zugemauert, denn nach dir wird es niemanden mehr geben, der dort bestattet werden könnte.«
Der Co-Herzog Gris presste die Lippen kurz aufeinander. Dann nickte er. »Hervorragend. Ein Satz, der würdig ist, in die Chroniken aufgenommen zu werden. Und jetzt verschwinde aus dem Herzogtum Gris!«
Trix ruderte, bis er das Boot in die Strömung gebracht hatte. Im Frühjahr, wenn es viel Regen gab, oder in sehr heißen Sommern, wenn die Eisberge schmolzen, trat der Fluss manchmal über die Ufer und war sehr stürmisch. Aber dieser Sommer war feucht und kalt. Das Boot schaukelte sanft auf dem Wasser, das Ufer zog gemächlich vorbei.
Trix legte die Ruder beiseite und nahm sich die beiden Beutel vor. Der von Sid Kang enthielt kein Gold, sondern nur drei Silberlinge – schließlich brauchte selbst der beste Soldat stets Geld. In dem Beutel von Sator Gris fand er aber tatsächlich zehn Goldstücke. Der Herzog stammte nicht umsonst von Kaufleuten ab: Er betrog einen nie, jedenfalls nicht, wenn es um Kleinigkeiten ging.
Außerdem entnahm Trix dem Beutel noch einen Hemdknopf mit dem Wappen der Soliers, einen nicht allzu wertvollen Goldring mit zwei kleinen Rubinen, der vermutlich einer der Hofdamen gehört hatte, und einen winzigen Silberlöffel.
Er betrachtete nachdenklich, was ihm von den Familienschätzen geblieben war. Nein, er hatte weder auf den Ring seines Vaters noch auf das Großsiegel gehofft. Aber das! Jeder kleine Dieb stahl mit etwas Glück an einem halben Tag mehr »Beweise« zusammen!
Trix stopfte den Kram zurück in den Beutel und legte sich auf den Boden des Boots. Wenigstens leckte es nicht. Er lebte und war frei. Er würde sich ins Fürstentum Dillon durchschlagen und sich an den dortigen Herrscher wenden. Wer regierte da zurzeit eigentlich? Jar Dillon war vor zwei Jahren gestorben, also hatte seine Tochter jetzt die Macht. Oder ein Regent? Weil die Tochter noch zu jung war?
Genau, ein Regent. Trix erinnerte sich sogar an ihn, ein hochgewachsener, hagerer Mann, gallig und immer unzufrieden. Kurz nach dem Tod von Jar hatte er dem Co-Herzogtum einen Besuch abgestattet und irgendeinen Vertrag ausgehandelt. Sein Vater hatte noch gesagt, der Regent habe in dem alten Streit um die Grenzgebiete eingelenkt …
Wenn sich Trix an den Regenten erinnerte – warum sollte das dann nicht auch umgekehrt der Fall sein?
Trix würde anbieten, ihm die Grenzgebiete zurückzugeben, ja ihm sogar noch ein paar der ehemaligen Gebiete des Co-Herzogs Gris abtreten. Trix brauchte eine Armee, und sei sie noch so klein. Wenn er erst einmal ins Land der Soliers zurückgekehrt war, würde er die Steuern senken, Verbrecher begnadigen und den Soldaten hohen Sold zahlen. Dann würde seine Armee rasch anwachsen. So musste man die Sache anpacken!
Sator Gris würde es noch leidtun, dass …
Da schlief Trix ein.
In sämtlichen Chroniken und Balladen hätte er nun von seinen Eltern geträumt, die gesund und munter waren und mit ihm auf einer grünen Wiese spielten. Oder von seinen gramgebeugten, verratenen und toten Eltern, die ihn zur Rache aufforderten. Oder wenigstens von kommenden Schlachten und Kämpfen, vom brennenden Palast des Co-Herzogs Gris und von den jubelnden Massen, die Trix’ Thronbesteigung feierten.
Trix jedoch schlief fest und traumlos, wie jeder gesunde, aber hundemüde Junge.

In historischen Chroniken und stimmungsvollen Balladen fährt ein den Wellen überlassenes Boot stets glücklich die Nacht hindurch. Bei Sonnenaufgang treibt es in eine Bucht, wo sich Trauerweiden über das mit Seerosen gesprenkelte Wasser neigen. Genau in dem Moment nähert sich eine junge und hübsche Prinzessin dem Boot. Sogleich fällt ihr Blick auf den in Seidentücher gewickelten Säugling männlichen Geschlechts (hat irgendwer einmal versucht, ein Baby in Seide zu windeln?) mit einem geheimnisvollen Amulett in dem kleinen Händchen oder den verletzten Ritter mit einem vom edlen Blut durchtränkten Seidenverband (Seide ist ein traditionelles und quasi obligatorisches Attribut). Und nur wenn im Boot friedlich ein Säugling weiblichen Geschlechts oder eine in (genau, richtig geraten) Seide gewandete Prinzessin schläft, darf es ein Mann von edlem Stand finden.

In Wirklichkeit passiert mit einem den nächtlichen Wellen überlassenen Boot mitten auf einem breiten Fluss allerdings Folgendes: Es kippt um, bleibt an einem untergegangenen Baumstamm hängen, zerschnellt an einem Felsen oder läuft auf eine Sandbank auf. Außerdem kann es einem anderen Boot begegnen, mit Menschen von gar nicht edler Gesinnung, die sich allein für die Seide interessieren, nicht aber für den darin eingewickelten Säugling – denn Mäuler haben sie selbst genug zu stopfen.

Von alldem ahnte Trix nicht das Geringste. Und so wunderte er sich auch nicht, als er, von den ersten Sonnenstrahlen geweckt, feststellte, dass das Boot friedlich dahintrieb.

(In der Nacht war es übrigens zweimal gegen einen Baumstumpf geprallt und hatte einmal eine halbe Stunde auf einer Sandbank gestanden, von der es durch die Wellen eines Fischkutters hinuntergespült wurde, dessen Insassen den Inhalt des Boots derart dringend untersuchen wollten, dass der Kutter an einem Fels kenterte und unterging.)

Trix stand auf und nahm den völlig durchnässten Umhang ab.
Seide ist wirklich ein verdammt unpraktisches Material.
An beiden Ufern erstreckte sich eine idyllische Landschaft. Links lagen Felder mit niedrigem Weizen, der gerade gelb wurde, rechts saftige grüne Wiesen. Sogar feinen weißen Rauch machte Trix aus, der ihm verriet, dass die Gegend bewohnt war. Menschen sah er jedoch keine.
Nachdem Trix das Wasser misstrauisch betrachtet hatte, wusch er sich. Anschließend beäugte er das Wasser noch genauer, formte die Hände zu einer Schale und trank. In der Stadt hätte er das nie gewagt, aber hier wirkte das Wasser sauberer. Klarer.
Der gestrige Tag schien weit weg, wie immer nach völlig überraschenden und schrecklichen Ereignissen. Da Trix Überraschungen jedoch nicht gewohnt war, freute er sich über den beruhigenden Eindruck, alles sei schon in grauer Vorzeit geschehen.
Trix kippte den Leinenbeutel mit dem Essen aus und inspizierte seine Vorräte. Ein paar gekochte Kartoffeln, etwas Dörrfisch, ein Stück Käse, ein halber Laib Brot und eine Flasche billigen Weins. Vorbehalte gegen diese Art Essen hatte er keine, eine besondere Vorliebe dafür allerdings auch nicht.
Trix öffnete die Flasche und trank einen Schluck von dem sauren Wein – sein Instinkt sagte ihm, dass es nach dem Genuss des Flusswassers gut wäre, das zu tun.
»He!«, erklang es da vom Ufer.
Eine kleine Figur fuchtelte wild mit den Armen. Trix erhob sich, worauf das Boot gefährlich zu schaukeln anfing, und spähte zum Ufer. Anscheinend ein Junge. Genauer gesagt ein Jüngling, nicht älter als er selbst.
Nachdem der Jüngling sich sicher war, dass Trix ihn entdeckt hatte, sprang er ins Wasser und kam, gegen die Strömung ankämpfend, zum Boot geschwommen. Vorsichtshalber bewaffnete sich Trix mit einem Ruder.
Der Grund für die Eile des Jünglings wurde rasch klar. Hinter ihm tauchten am Ufer einige Männer auf, der Kleidung und auch den Gegenständen, die sie in der Hand hielten, nach zu urteilen, Dörfler. Die Verfolger stürmten allerdings nicht mit voller Kraft durchs Korn, sondern versuchten, das Getreide zu schonen. Das verschaffte dem Jungen einen Vorsprung.
Mitleid mit allen Verfolgten und Gehetzten ließ Trix das Ruder wieder einlegen und dem Schwimmer entgegenrudern. Kurz darauf schoben sich auch schon zwei Hände über die Bordwand, denen ein roter Schopf folgte. Der Junge japste laut: »Folgen die mir?«
»Die haben kein Boot«, antwortete Trix.
Der Junge nickte. Er sah Trix ängstlich an. »Nimmst du mich an Bord?«, fragte er. »Ich kann nämlich nicht schwimmen!«
»Du bist doch auch hierher geschwommen!«
»Das habe ich nur aus Angst geschafft!«
Trix hielt ihm die Hand hin, beugte sich weit zurück und zog den Jungen ins Boot. Bei genauerem Hinsehen war klar, dass er von dem Flüchtling nichts zu befürchten hatte. Es war ein Junge, mehr nicht, groß, aber jünger als Trix und so dünn, als sei er die Folge von einem Experiment, mit dem eine neue Rasse wenig essender Kinder herangezüchtet werden sollte.
»Warum sind die hinter dir her?« Trix nickte Richtung Ufer.
»Wegen der Wahrheit!«, antwortete der Junge stolz. Er setzte sich, zog sein Hemd über den Kopf und wrang es aus.
Verwundert bemerkte Trix, dass ihm die Kleidung des Jungen schmerzlich vertraut vorkam, auch wenn sie überhaupt keine Knöpfe oder Wappen aufwies.
»Wer bist du denn?« Trix versuchte, das Problem von einer anderen Seite anzugehen.
Der Junge zog sich das Hemd wieder an und nahm eine aufrechte Haltung ein. »Wisse, ruhmreicher Jüngling, dass du eine edle … äh …«
»Tat?«, half ihm Trix.
»Tat vollbracht hast«, beendete der Junge erleichtert den Satz. »Vor unabwendbarer Züchtigung und beschämender Gefangenschaft rettetest du …«
»Die Chronik von Baron Hugh dem Glücklosen«, murmelte Trix.
»… den Thronerben des Co-Herzogs Solier, Trix Solier.«
Trix starrte den Jungen an. Der schluckte und fuhr etwas unsicherer fort: »Das wird dir vergolten. Du sollst meine Dankbarkeit erfahren, sobald ich mir die Krone, das Land, die Truppen und den Reichtum zurückgeholt habe …«
»Du sagst, du kannst nicht schwimmen?«, fragte Trix und langte wieder nach dem Ruder.
»Das ist nicht nötig!«, lenkte der Junge rasch ein.
»Wer bist du?«
»Tri…« Der Junge verstummte. »Ian.«
»Was für ein Ian?«
»Nur Edelleute haben einen Familiennamen.« Der Junge zuckte die Schultern. »Ich bin einfach Ian. Mein Vater war Gärtner. Meine Mutter hat ihm geholfen. Sie sind am Fieber gestorben. Vor zwei Jahren.«
»Warum hast du gesagt, du bist Trix?«, fragte Trix. »Und … woher hast du dieses Hemd? Das ist … sehr teuer!«
»Na sicher«, brummte der Junge, während er über den Stoff strich. »Das ist Seide, oder?«
»Das ist Samt, du Esel! Woher hast du es?«
»Das habe ich im Waisenheim der ruhmreichen CoHerzöge Solier und Gris erhalten«, antwortete Ian selbstbewusst. »Zur ewigen Erinnerung an den Co-Herzog Solier, mögen die Götter seine Seele schützen, seinen irdischen und himmlischen …«
Trix legte die Hand erneut drohend ans Ruder.
»Gestern Abend, als die Ritter des Co-Herzogs Solier den Co-Herzog Gris überfallen haben, dann aber gefangen wurden, worauf der Co-Herzog sich aus Kummer umgebracht hat«, ratterte der Junge herunter, »gab es in unserem Heim ein Feuer. Drei Seiten gingen in Flammen auf, wir konnten uns kaum retten. Bestimmt haben irgendwelche Schurken das Haus angezündet. Dann ist ein Ritter des Co-Herzogs Gris gekommen und hat gesagt, das Heim ist aufgelöst. Er hat uns großzügig die Kleidung des Thronerben Trix gegeben, der braucht sie sowieso nicht mehr. Wir Jungen haben über alles gesprochen und entschieden, dass wir den Sommer über, solange es warm ist, herumvagabundieren. Und wo wir schon diese edlen Sachen haben, warum sollen wir da nicht sagen, dass wir der Thronerbe Trix sind, dem die Schurken seinen Thron geklaut haben und der deswegen fliehen musste?«
»Und du meinst, man glaubt dir?«, entrüstete sich Trix. »Dann sag mir doch mal, wie die … Großtante des Co-Herzogs Rett Solier hieß?«
Der Junge runzelte die Stirn und legte dann los: »Lunida Solier. Sie starb vor einem Jahr hochbetagt an der Meeresküste. In der Jugend war die Dame sehr schön, was ihr viel Kummer bereitete … Wir haben ein ganzes Jahr lang die Genelogie gebüffelt.«
»Genealogie«, verbesserte ihn Trix automatisch.
»Die Genealogie. Von den Soliers und von den Gris. Und von allen Herrschern der Nachbarländer. Richtig wie bei Adligen.«
»Trotzdem … bist du ungebildet«, knurrte Trix. »Damit kannst du bloß Bauern was vormachen. Du weißt ja nicht mal, wie man mit einer Gabel umgeht.«
»Pah!« Ian reckte stolz den Kopf. »Und ob ich das weiß! Darf ich meine Hosen auswringen?«
»Ja«, gestattete Trix mit einem Blick auf die Lache, die sich am Boden des Boots gebildet hatte.
»Ich kann mit der kleinen Fischgabel umgehen, mit der großen für Fleisch und mit der speziellen für Obst«, erklärte Ian, während er seine Hosen (sie kamen Trix ebenfalls höchst vertraut vor) über dem Wasser auswrang. »Du kannst dir nicht vorstellen, was wir alles lernen mussten!«
»Wart ihr viele in dem Heim?«, wollte Trix wissen.
»Dreiundsechzehn … äh … dreiundsechzig. Plus zwei Köchinnen, am Tag der Aufpasser …«
»Wart mal! Und alle dreiundsechzig Waisen haben die Kleider von … von Trix bekommen?«
»Ja«, sagte Ian, als er seine Hosen wieder anzog. »Der hat wahnsinnig viel Sachen! Allein schon fünfzig Hosen!«
»Sogar noch mehr«, bemerkte Trix. »Das sind gute Hosen … er hat sie noch von seinem Vater, von seinem Großvater, ja sogar von seinem Urgroßvater …«
»Ich habe von meinem Vater gar nichts. Alles ist verbrannt worden. Weil er doch Fieber hatte.« Ian seufzte. »Wie heißt du?«
»Trix«, antwortete Trix mürrisch.
»Hätt ich mir denken können!«, grinste Ian. »Also, von mir aus bist du auch Trix Solier! Aber wir müssen aus dem Herzogtum raus, die Leute hier sind … die würden uns noch an den Herzog Gris ausliefern. Hier würden wir eingesperrt, obwohl wir nichts angestellt haben.« Er kicherte. »Aber in den Nachbarländern wären wir in Sicherheit. Wo wir schon auf dem Fluss sind, sollten wir nach Dillon fahren. Zum Regenten Hass.«
»Genau, zu Hass«, erwiderte Trix. »Ich weiß, dass er …«
»Er regiert für die Tochter von Dillon«, erklärte Ian. »Für die Fürstentochter Tiana.«
»Fürstin«, verbesserte Trix ihn automatisch. »Fürstentochter hieß sie, als ihr Vater, der Fürst, noch lebte. Aber jetzt ist er tot, deshalb ist sie Fürstin … auch wenn sie nicht regiert.«
Trix erinnerte sich noch, wie ihm sein Vater vor zwei Jahren erstaunt von der großmütigen Entscheidung des Co-Herzogs Gris erzählt hatte, in der Stadt ein Waisenheim zu bauen, um Kindern im Alter von Trix und Derrick eine anständige Erziehung angedeihen zu lassen, damit sie in Zukunft an den Höfen der Co-Herzöge dienen konnten.
Seine Mutter hatte etwas über den Nutzen von Wohltätigkeit gesagt und versprochen, dass die Waisen einmal im Jahr eine selbst gebackene Sahnetorte erhalten sollten. Ob sie ihr Versprechen gehalten hatte, wusste Trix nicht, doch in Anbetracht von Ians extremer Magerkeit hatte er so seine Zweifel.
Nun erklärte sich also diese Großzügigkeit von Gris. Das Heim war genauso wenig ein Zufall wie die gestrige Schlägerei in der Bierstube.
Wenn in den Nachbarländern sechzig Jungen auftauchten, die alle behaupteten, der Thronerbe Trix zu sein – wie sollte der echte Trix dann seine Identität beweisen? Schon nach einem Monat würde selbst der brummigste Baron über die Worte »Ich bin der Thronerbe des CoHerzogs Solier« lachen. Auch früher waren nach einem Putsch bei Hofe überall Grafen und Herzöge aufgetaucht, die aus den Kerkern geflohen waren, oder Erben und Erbinnen, die sich wie durch ein Wunder hatten retten können, und schließlich zahllose Bastarde. Von den ach so treuen Dienern, die um ein Almosen baten, ganz zu schweigen.
Auch diesmal wäre es nicht anders gewesen, es hätte von Co-Herzögen und Co-Herzoginnen Solier, von Trixen, Rittern und Dienern gewimmelt. Sator Gris hatte lediglich auf Nummer sicher gehen wollen, indem er die Situation ins Absurde gesteigert hatte.
Wenn ihn der Regent Hass bloß erkannte!
»Wir müssen als Erste in Dillon sein«, sagte Trix. »Der Regent muss sich an mich erinnern.«
»An wen?«, fragte Ian.
»An mich. An Trix Solier.«
Ian schnaubte.
»Aber ich bin Trix Solier!«, polterte Trix.
»Schon gut. Du bist Trix. Du hast ein Boot, also bist du Trix«, lenkte Ian ein. »Aber warum willst du zu diesem Regenten?«
»Sollen wir etwa in den Dörfern um Almosen betteln?«
»Also in Dörfern … Wer weiß, was die da mit uns machen«, sagte Ian nachdenklich. »Vielleicht sollten wir uns einen armen, aber edlen Ritter suchen? Oder einen Baron: Das Fürstentum Dillon mit seinen zwölf Baronen kennt als ersten einen aus dem Geschlecht der Dillonen. Der zweite ist Vit Kapelan, ihm schließt sich Liander als dritter an. Als vierter ist Galan zu nennen …«
Ian ratterte die Namen verdächtig schnell herunter, und Trix, der sich bei den Baronen immer vertat, fragte: »Was ist das? Ein Merkreim?«
»Genau«, bestätigte Ian. »Im Fürstentum gibt es zwei Herzogtümer und ein Co-Herzogtum, drei Marquisate, zwölf Lehnsbarone und vier freie, die königlichen Gebiete mit den Rittern … Wie willst du dir das alles merken? Aber wenn du die Namen nicht runterratterst, setzt’s was!«
»Und wie merkst du dir die königlichen Ritter?«, fragte Trix.
»Pass auf, das ist mein Lieblingsreim.« Ian hustete und hob an: »Ritter Dogoro lebt im Osten, wo nur Felsen stehen Posten …«
»Verstehe«, sagte Trix. »Trotzdem wirst du kein Trix.«
»Warum nicht?«
»Weil du rothaarig bist.«
»Ist das so schlimm?«, wunderte sich Ian aufrichtig. »Glaubst du, jemand erinnert sich an Trix’ Haarfarbe?«
Trix sann traurig darüber nach, dass alle Helden in den Chroniken ein besonderes Merkmal hatten: einer ein Muttermal in Form eines Schwerts, ein Herzog sogar eines in Form einer Krone, und der Marquis Daki hatte am linken Fuß sechs Zehen. Zur Not hätte sogar ein Zauberdolch gereicht, ein Siegelring oder ein Pokal mit Wappen.
»Willst du was essen?«, fragte Trix.
Ian nickte heftig.
»Dann merk dir eins: Ich bin der echte Trix Solier. Und du …« Trix stockte.
»Dein Bruder, der in früher Kindheit verloren gegangen ist?«, fragte Ian hoffnungsvoll.
»Nein!«
»Dann vielleicht dein treuer Knappe?«
»Ein Knappe muss vierzehn Jahre alt sein«, gab Trix zu bedenken.
»Und genau das bin ich«, hielt Ian schlau dagegen. »Heute habe ich Geburtstag und werde vierzehn. Wie der echte Trix. Knappe! Mit weniger gebe ich mich nicht zufrieden!«
»Geh auf die Knie!«, befahl Trix.
Ian kniete sich gehorsam auf den Boden des Bootes.
Trix nahm eines der Ruder in beide Hände und ließ es vorsichtig auf Ians Schulter nieder. »Ich, der Co-Herzog Trix Solier«, sagte er, »erkläre dich, Ian, hiermit kraft meines Geburtsrechts zu meinem Knappen, statte dich mit einem Wappen aus und erhebe dich in den Adelsstand. Von heute an bist du Ian … Ian, der Chevalier des Ruders. Dein Wappen ist ein silbernes Ruder auf blauem Grund.«
»Ginge auch ein goldenes?«, hakte Ian nach.
»Ein goldenes Ruder ginge nur für Menschen mit blauem Blut.«
»Ein silbernes tut’s auch«, gab sich Ian zufrieden.
»Ich, der Co-Herzog Trix Solier«, fuhr Trix fort, »verpflichte mich, dich auszubilden und zu beschützen, dir Obdach und Nahrung zu geben … soweit es mir möglich ist.«
»Kriege ich nicht auch noch ein einmaliges Recht?«
»Ich gewähre dir das Recht, mit dem Rücken zu mir zu sitzen«, erklärte Trix großherzig. »Sonst wäre das Rudern für dich zu unbequem.«
»Danke. Könnten wir dann die Sache mit der Nahrung vielleicht gleich erledigen?«

2. Kapitel